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Heiße Sache: Besuch bei der größten Thermoskanne Heidelbergs

Energiewende ist keine Utopie

Die Energiewende und das Ziel einer klimaneutralen Wärmeversorgung sind keine Utopie, sondern die Stadtwerke Heidelberg sind längst dabei, dieses Ziel durch konkrete Maßnahmen umzusetzen. Die erforderlichen Technologien gibt es. Entscheidend ist der politische Wille und ein in die Zukunft gerichtetes Denken, um diesen Weg zu gehen.

Am 25. Januar trafen sich Mitglieder der Dossenheimer ÖKOstromer sowie interessierte DossenheimerInnen am Energiepark der Stadtwerke Heidelberg im Pfaffengrund. Bei strahlendem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen gaben Cornelia Reuter und Marco Unger von den Stadtwerken Heidelberg der 15-köpfigen Besuchergruppe rund zwei Stunden lang interessante Einblicke zu Zweck und Funktionsweise der verschiedenen Anlagen auf dem Gelände. Cornelia Reuter, verantwortlich für die Energiekonzeption, erläuterte Strategie, Konzepte und Ziele der Stadtwerke Heidelberg auf dem Weg zur klimaneutralen Fernwärmeversorgung bis 2035. Marco Unger, Ingenieur und mit zuständig für Planung, Bau und Betrieb der Anlagen, war für den technischen Part zuständig. Beide beantworteten ausführlich und sehr kompetent die zahlreichen Fragen der Teilnehmenden.

Kein Fernwärmenetz für Dossenheim

Gleich zu Beginn war zu erfahren, dass es keinen Ausbau des Fernwärmenetzes der Stadtwerke Heidelberg nach Dossenheim geben wird. Eine eingehende Prüfung habe gezeigt, dass Ausbau und Betrieb zu teuer seien und die Stadtwerke somit Fernwärme in Dossenheim nicht zu konkurrenzfähigen Preisen anbieten könnten.

Wärmewende in Heidelberg: Das Wärmeplanungsgesetz und das Gesetz für erneuerbares Heizen (beide seit 1.1.2024 in Kraft) sehen vor, dass in Deutschland bis spätestens 2045 nur noch mit erneuerbaren Energien geheizt werden soll. Die Stadtwerke Heidelberg treiben die Wärmewende aktiv voran. Dazu soll die Fernwärmeversorgung deutlich ausgebaut und bis 2035 schrittweise auf klimaneutrale Wärmequellen umgestellt werden. An dem 225,7 km langen Fernwärmenetz sind 5.367 Gebäude angeschlossen, die jährlich 474,4 GWh Wärmeenergie beziehen. Aktuell werden schon 50% der Fernwärme CO2 -frei erzeugt. Die verschiedenen Anlagen im Energiepark sind Bausteine auf dem Weg zur Klimaneutralität der Stadt Heidelberg. Es wird nicht wie früher üblich ein großes Kraftwerk betrieben, sondern stattdessen eine Vielzahl dezentraler Anlagen, die intelligent miteinander gekoppelt sind. Die Stadtwerke erzeugen ca. 25% ihrer Fernwärme selbst. Weitere grüne Fernwärme kommt von externen Partnern über das Mannheimer Fernwärmenetz, z.B. von der thermischen Abfallverwertung auf der Friesenheimer Insel.

Energiepark – Name ist Programm

Bei der Führung durch den Energiepark wurden die wichtigsten Anlagen von außen besichtigt und erklärt, z.B. das Holz-Heizkraftwerk, die innovative Kraft-Wärme-Kopplung (iKWK) sowie der Energie- und Zukunftsspeicher. Es gibt 6 Blockheizkraftwerke, 2 davon mit Erdgas betrieben und 4 mit Biomethan. Die langfristige Belieferung mit Biomethan stellen die Stadtwerke seit 2014 über eine Beteiligung an einer Biogas-Aufbereitungsanlage in Wolfshagen (Brandenburg) im Rahmen der Gesellschaft „Biogas Pool 3 für Stadtwerke“ sicher. Außerdem befinden sich auf dem Gelände zahlreiche große Solaranlagen an Zäunen, Fassaden und auf Dächern der Anlagengebäude. Die Solaranlagen erzeugen einen großen Teil des Stromes, der für den Betrieb der Kraftwerke benötigt wird. Im nächsten Schritt planen die Stadtwerke den Bau zweier großer Flusswärmepumpen am Neckar, welche bis 2029 in Betrieb genommen werden sollen.

Solarzaun im Energiepark
Fazit: Stadtwerke Heidelberg sind innovativ

Die Stadtwerke Heidelberg haben einen genauen Plan, wie sie die Wende zu einer klimaneutralen Fernwärmeversorgung bis 2035 erreichen werden. Sie sind Motor für den Klimaschutz, befassen sich mit vielen innovativen Technologien und setzen diese um. Durch das Lösen technischer Probleme vor Ort tragen sie auch zu einer weiteren Verbesserung der Anlagentechnik bei, z.B. bei den Großwärmepumpen. Insbesondere der Energiespeicher und die iKWK haben deutschlandweit für Aufmerksamkeit gesorgt, denn in Heidelberg wurde bundesweit die erste Luft-Wasser-Wärmepumpe in dieser Dimension (3 x 1,5 MW) gebaut. Die Wärmeleistung der 3 Wärmepumpen entspricht ca. 600 Wärmepumpen für Einfamilienhäuser. Den Energiepark besuchen regelmäßig Vertreter anderer Städte, um sich hier Informationen und Inspirationen für die Gestaltung ihrer Wärmeplanungen zu holen.

Details zu den besichtigten Anlagen:

Ist Ihnen im Westen Heidelbergs schon der runde blaue Turm mit dem geschwungenen Dachaufsatz und der weißen Helixtreppe aufgefallen? Er ist weithin sichtbar, und z.B. von der Autobahn aus gut zu sehen. Dieses Gebäude ist der Energie- und Zukunftsspeicher der Stadtwerke Heidelberg, der im November 2019 an das Fernwärmenetz angeschlossen wurde. Der insgesamt 55 m hohe Turm mit einem Durchmesser von 25 m ist ein riesiger isolierter Metallbehälter, der mit 20 Mio. Litern heißem Wasser gefüllt ist. Somit funktioniert er, sehr vereinfacht gesagt, ähnlich wie eine Thermoskanne. Er dient als Puffer im Fernwärmenetz und kann im Frühjahr und Herbst den Fernwärmebedarf Heidelbergs über ein Wochenende decken. Im Winter dient er zu Deckung von Wärmebedarfsspitzen. Dafür musste früher ein mit Öl und Gas betriebenes Reservekraftwerk hochgefahren werden, das jetzt nur noch an wenigen Tagen im Jahr benötigt wird. Mit seinen 40 MW thermischer Leistung ermöglicht der Speicher außerdem die zeitliche Entkoppelung der Strom- und Fernwärmeproduktion. Dadurch kann man den Betrieb der Kraftwerke besser am Fernwärmebedarf einerseits und an Angebot und Nachfrage am Strommarkt andererseits ausrichten.

Druckloser Wärmespeicher im Energiepark

Über seine technische Funktion hinaus soll das Bauwerk der Bevölkerung auch als Ort für Freizeit und Spaß dienen. Das Gebäude wird Teil eines Bewegungsparkes, der mit der benachbarten Firma adViva (Orthopädie- und Rehatechnik) gestaltet wird. Auf dem Dach des Energiespeichers sollen voraussichtlich ab Frühjahr 2026 eine Event Location mit Restaurant und eine Ebene darüber eine Aussichtsplattform eröffnen.

Der Energiespeicher ist ein Zweizonenspeicher, dessen technisches Prinzip von dem schwedischen Ingenieur Anders Hedbäck entwickelt wurde. Im unteren Teil des Speichers werden 12.800 m3 Wasser auf bis zu 115 °C erhitzt. Um das Sieden und Verdampfen des Wassers zu verhindern, wird durch das Gewicht der darüber befindlichen zweiten Wasserschicht ein entsprechend großer Druck aufgebaut. Die obere Schicht (7.200 m3) ist kühler und dient lediglich dem Druckaufbau. An der Ein- und Ausspeicherung von Wärmeenergie nimmt sie nicht teil. Die beiden Zonen sind durch eine isolierte Zwischendecke voneinander getrennt, jedoch durch Rohre miteinander verbunden, über die sie kommunizieren können. Dadurch kann sich das Wasser im unteren Teil bei Erwärmung in den oberen Teil ausdehnen, wodurch der gesamte Speicher sein eigenes Ausdehnungsgefäß ist. Im Detail sorgen zahlreiche Sensoren, Klappen, Ventile und Pumpen dafür, dass die verschiedenen Betriebszustände des Speichers sicher funktionieren. Wegen des geplanten Publikumsverkehrs auf dem Dach sind die Sicherheitsanforderungen besonders hoch. Neben dem Speicher in Heidelberg gibt es in Deutschland aktuell 11 weitere Zweizonen-Energiespeicher, u.a. bei den Stadtwerken in Duisburg, Leipzig, Nürnberg und Kiel.

Die iKWK (innovative Kraft-Wärme-Kopplung) ist seit Juli 2023 in Betrieb und verbindet 3 Blockheizkraftwerke mit erneuerbaren Wärmequellen (3 Wärmepumpen) und einem elektrischen Wärmeerzeuger (Power-to-Heat Anlage) zu einem Gesamtsystem. Die intelligente Verschaltung der Komponenten ermöglicht es, dass die iKWK Anlage flexibel auf Schwankungen im Stromnetz reagieren und zu dessen Stabilisierung beitragen kann. Die drei Blockheizkraftwerke werden aktuell mit Biomethan betrieben und können auch auf Wasserstoff umgerüstet werden. Sie erzeugen sowohl elektrische Energie (6 MW, jährliche Erzeugung 21 GWh) als auch Abwärme (ebenfalls 6 MW, jährlich 21 GWh), die für das Fernwärmenetz genutzt wird. Bei geringer Strommenge im öffentlichen Netz wird der erzeugte Strom eingespeist. Sind große Mengen Strom aus erneuerbarer Erzeugung verfügbar, wird der elektrische Wärmeerzeuger (Power-to-Heat 1,8 MW) zugeschaltet. Er funktioniert im Prinzip wie ein riesiger Tauchsieder, der den erzeugten Strom in Wärme verwandelt. Diese wird je nach Bedarf entweder ins Fernwärmenetz oder in den Energiespeicher geleitet.

innovative Kraft-Wärmekopplung mit Wärmepumpen (3 x 1,5 GW)

Als erneuerbare Wärmequelle der iKWK wird Luft genutzt. Die drei großen Luft-Wasser-Wärmepumpen (zusammen 4,5 MW thermisch, jährlich 7,8 GWh Wärme) entziehen der angesaugten Umgebungsluft Wärme, wobei sich die Luft um 5 °C abkühlt. Die Wärme wird in mehreren Stufen auf Wasser übertragen und ebenfalls in den Energiespeicher oder direkt in das Fernwärmenetz eingespeist. Die Frischluft wird auf der kompletten Fläche der Südfassade der Kraftwerkshalle mit 180 Ventilatoren angesaugt und die abgekühlte Luft über drei große, kaminartige Rohre (Höhe 17 m, Durchmesser 4 m) auf der Nordseite des Gebäudes wieder ins Freie gedrückt (bei kalter Luft gibt es keinen Kamineffekt). Die Anlage wälzt pro Stunde 1,5 Mio. m3 Luft um, was dem Volumen von ca. 600 Sporthallen entspricht. Die Aerodynamik des Gebäudes wurde am Institut für Industrieaerodynamik an der Hochschule Aachen durch Messungen der Strömungsverhältnisse an einem Modell optimiert und das Gebäude zudem mit Hilfe meteorologischer Daten passend zu den Hauptwindrichtungen ausgerichtet. Denn es muss sichergestellt sein, dass die Anlage nicht in einem selbst erzeugten Kaltluftsee versinkt und dabei die ausgestoßene kalte Luft wieder ansaugt, anstatt die wärmere Frischluft aus der Umgebung. Da die Wärmepumpen bei ca. 10°C Außentemperatur am besten arbeiten, werden sie vor allem im Frühling und im Herbst eingesetzt. Ab einer Außentemperatur von 5°C und darunter wird der Betrieb der Wärmepumpen eingestellt, da ansonsten Systemkomponenten vereisen können. Die Jahresarbeitszahl (erzeugte Wärmeenergie im Verhältnis zur eingesetzten elektrischen Energie) liegt im Bereich von 1,8 bis 2,2.